"Eine Katze ist eine Katze" von Tintenblau12 | Projekte > Wettbewerbe > AudioFiction-Wettbewerb 2024 > Percy Jackson (2024)

„Hast du dein Messer?“, fragte Percy in die Stille hinein.
„Ja, klar!“, antwortete Annabeth.
Ihre Stimme hallte unheilvoll in der kleinen Höhle.

Percy wandte überrascht den Kopf.
Sie hatte ihr Messer?
Wie gut.
Nein, nicht gut.
Die Bewegung war ein Fehler gewesen.

Ein spitzer Vorsprung bohrte sich in seinen Hals.
Warum konnten sie ihn eigentlich nie an irgendwas festbinden, das halbwegs komfortabel war?
Musste es eine naturbelassene Steinsäule sein, die mit mehr Ecken und Kanten ausgestattet war, als ihm lieb sein konnte?

Percy suchte sich eine halbwegs bequeme Position.
Solange man von „bequem“ sprechen konnte, wenn man in einer stinkenden verlassenen Grotte festsaß.
Von irgendwoher plätscherte es.

Annabeth schnaubte: „Was hast du denn gedacht? Dass sie mir das Messer dalassen? Und dein Schwert wohl gleich mit?“
Verdrossen fügte sie hinzu: „Mensch, Algenhirn!“

Percy brummte.
Dachte feindselig: „Wer-auch-immer hat anscheinend ihren Bronzedolch an sich genommen! Dumm! Sehr dumm! Nach geradezu verboten fahrlässig! Jetzt weiß ich wenigstens, in wessen Haut ich nicht stecken möchte! Obwohl, bei Licht betrachtet - soviel besser ist meine Lage jetzt auch nicht!"

Percy versuchte unter den dicken, magisch verstärkten Seilen seine Schultern zu lockern.
Durch die Drehung hatte er sich irgendwas gezerrt.
Es gelang ihm natürlich nicht.

Percy versuchte erneut den Kopf zu drehen.
Einen Blick auf Annabeth zu erhaschen.
Sich selbst davon zu überzeugen, dass es ihr gut ging.
Und dass es auch wirklich SIE war, die da mit ihm sprach.
Ganz sicher war er sich nicht.
Tricks und miese Machenschaften war er mittlerweile nur zu gut gewöhnt.

Hinter ihm schabte etwas gegen den Stein.
Stoff raschelte.
Annabeth schien gegen ihre Fesseln anzugehen.
Sie knurrte erzürnt: "Blödes Seil! Dummer Strick! So ein MIST!"
Zwecklos.

Er hätte es ihr sagen können.
Hatte es schon selbst versucht.
Vergeblich.

Irgendwann gab sie auf.
Percy sah sich verdrossen in der Höhle um.
Stalagtiten.
Stalagmiten.
Spitze Steine.
Geröll.
Ein unebener Boden.
Eine Katze.

Percy stutzte.
Durch den schmalen Durchgang hinter dem es verheißungsvoll rauschte, kam eine orange-getigerte Katze geschlendert.
Anmutig.
Setzte Pfote um Pfote auf die harten, kalten Steinchen und schlängelte sich heraus.

Percy beschloss, sich in Acht zu nehmen.
Eine Katze konnte nichts Gutes bedeuten.
Wo eine Katze war, da waren auch noch andere Leute.
Menschen.
Götter.
Idioten.
Noch mehr Schwierigkeiten.

„Wünscht du dir nicht auch manchmal, du wärst ganz und gar durchschnittlich?“, fragte Annabeth unvermittelt.

„Oh, ja!“, dachte Percy, „Vor allem, wenn ich mal wieder irgendwo festsitze und eine Katze streicht um mich herum, die wahrscheinlich der Vorbote von irgendetwas ganz Grässlichem ist! Dann ganz bestimmt!“

Unvermittelt schob sich ein anderes Bild zwischen ihn, die Höhle und seine düsteren Gedanken.
Eine warme Hand auf seiner Stirn.
Ein goldenes Leuchten.
Geliebt werden.
Gewollt sein.

Die Erinnerung an seinen Vater war ungetrübt.
Sollten sie ihn doch festsetzen so oft sie wollten.
Er kam eh wieder frei.
Da war sich Percy ganz sicher.

Anders als Annabeth haderte er heute einmal nicht mit seiner Herkunft.
Annabeth mochte zwar recht haben – als Halbgötter standen sie immer auf irgendeiner Abschussliste, aber es hatte auch entschieden Vorteile, NICHT der Durchschnitt zu sein.
Ok, das klang jetzt anmaßend.
Aber ganz ehrlich – wäre er „normal“ oder wie auch immer man das nennen mochte, hätte er seine ganzen Abenteuer nie erlebt.
Zugegeben, bei einigen wäre ihm das vielleicht sogar lieber gewesen.
Bei vielen.

Annabeth, das wusste er, haderte immer noch mit ihrer Abstammung.
Ihre Mutter hatte es gut gemeint.
Hatte gedacht, sie würde Annabeth` Vater ein großes Geschenk machen.

Dabei hatte Athene übersehen, dass Menschen oft ganz anders dachten als Götter.
„Menschen sind Menschen. Götter sind Götter.“, sagte Percy laut, wie zum Trost.
Annabeth schnaubte.
„Deinen Trost kannst du dir sonst wohin stecken!“, sollte das wohl heißen.

Ok, im Moment kam er in puncto Sympathie direkt hinter den Dolchdieben, gut zu wissen.
„Wir kommen schon hier raus!“, fügte Percy hinzu.
Zuversicht schwang in seiner Stimme mit.
Gespielte Zuversicht.

Die Katze hatte es sich gemütlich gemacht.
So ganz traute Percy ihr nicht über den Weg.
Wie sie ihn betont auffällig ignorierte.
Wie sie sich vor ihn hingesetzt hatte.

In Positur.
Entschlossen seine Aufmerksamkeit an sich zu binden – So, ich putze mich jetzt. Sieh gefälligst her!

„Wünscht du dir nicht auch manchmal, dass du einfach ganz durchschnittlich wärst?“
Die Frage von Annabeth hallte immer noch in seinem Kopf nach.
Sie hatte sie schon oft gestellt.
Einmal hatte sie zynisch hinzugefügt: „Und dass dich keiner fragt, warum du einen Bauchnabel hast!“

Percy wusste, wo ihre wunde Stelle war.
Und die seine.
Er war hier festgebunden.
Konnte ihr nicht beistehen.
Das wurmte ihn zutiefst.

Die Katze putzte sich hingebungsvoll.
„Menschen sind Menschen!“, wiederholte Percy bei sich, auf das gold-orange Fell der Katze blickend, „Götter sind Götter! – Und eine Katze ist eine Katze!“

Fast fühlte er sich von ihren trägen Bewegungen hypnotisiert.
Als wollte sie ihn schläfrig machen.
Er riss sich aus der Trance.
Schüttelte den Kopf.

„Autsch!“
Den harten Stein, an den er gefesselt war, hatte er vergessen.
Die Katze sah in beinahe belustigt an.
Fuhr dann entschlossen fort, sich zu Putzen.

„Annabeth?“, rief Percy nach einer Weile in der sich rein gar nichts tat.
Das monotone Tropfen, die sanften Zungenschläge der Katze lullten ihn aufs Neue ein.
Fast hätte er vergessen, wo sie waren.
Und warum.

„Algenhirn?“, sagte Annabeth leise, „Was ist denn?“
Percy schwieg.
„Percy?“, fragte Annabeth nach einer kleinen Weile.
Sie klang gereizt.

Percy seufzte.
Da hatte er wieder mal nicht nachgedacht.
Was sollte er sagen?
„Ich wollte nur deine Stimme hören?“
Dann hätte Annabeth ihn angefaucht: „Bin ich dein persönliches Radio?“
Wenn er sagen würde: „Ich wollte nur sehen, ob alles in Ordnung ist!“, dann würde sie vermutlich sarkastisch werden: „Oh, ja alles prima! Ich bin hier an diese Säule gefesselt, mein linker Fuß tut weh, mein rechter Arm ist eingeschlafen – und ach, ja, diese Vollidioten HABEN MEINEN DOLCH GEKLAUT! ABER JA, ES IST ALLES GANZ WUNDERBAR!“

Percy betrachtete die Katze nachdenklich.
Lächelte ihr zu.
Flüsterte verschwörerisch: „Hey, du! Was meinst du zu meiner Lage? Wenn sie loskommt, reißt sie mir den Kopf ab, oder?“

Egal was er tat, Annabeth war ohnehin stinkewütend auf ihn.
Percy war schon klar, dass er keine Antwort bekommen würde.
Die Katze wandte sich zum Gehen.

Ein letztes mal drehte sie hoheitsvoll den Kopf zu Percy.
In seinem Kopf tauchte plötzlich ein Gedanke auf: "Ihr steckt in ganz gewaltigen Schwierigkeiten!"
Die Katze blickte ihn unverwandt an.
Dann gähnte sie und wandte sich ab.

"Die Katze!", rief Percy, "Annabeth! Die Katze! Sie hat mit mir gesprochen!"

Annabeth schnaubte: "Algenhirn! Es gibt keine Katzen hier!"
Nach einer kurzen Pause fügte sie leise hinzu: "Und Spinnen auch nicht! - Zum Glück..."
Sie klang erleichtert.
Aber sie glaubte ihm kein einziges Wort.
Das merkte er schnell.

Wütend blaffte sie ihn an: "Percy, wenn du mich veräppelst - du wirst dir wünschen, dass in Zukunft wenigstens eine KATZE mit dir spricht!"

Percy seufzte.
Schwierigkeiten?
Oh, ja. Die Katze hatte ja keine Ahnung.

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Job: Internal Education Planner

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